SPORTFUNKTIONÄRE

Hauptverantwortliche im Krisenfall

Klaus Allofs, Thomas Meggle, Peter Knäbel, Dietmar Beiersdorfer. In jüngerer Vergangenheit wurden im Fußball vermehrt die Funktionäre für den Misserfolg ihrer Vereinsmannschaften verantwortlich gemacht. Aber sind sie der Hauptgrund für sportlich schlechte Leistungen? Und bringt Heribert Bruchhagen den HSV wieder zurück in die Erfolgsspur? Tackling-Tarek und Tackling-Marc kommentieren diese Fragen.

Unsere Redakteure Marc (li.) und Tarek sehen die Entwicklung in den Führungsriegen der Fußball-Nordclubs kritisch.
Unsere Redakteure Marc (li.) und Tarek sehen die Entwicklung in den Führungsriegen der Fußball-Nordclubs kritisch.

Das Bruchhagen-Fiasko - Mehr Fragen als Antworten!

Heribert Bruchhagen (68) lässig, cool und entspannt wirkt er auf seiner Vorstellungs-Pressekonferenz vor zahlreichen Medienvertretern. Den einen oder anderen Spruch bringt er locker über die Lippen. Aber was steckt hinter den Aussagen vom neuen HSV-Boss? Tackling schaut genauer hin:

 

Das Bruchhagen-Fiasko! Kein Sportdirektor. Nebenjob bei Sky. Kein Kontakt zur Mannschaft. Fragwürdiges Verhältnis zu Kühne. Ein indiskreter Aufsichtsrat ohne Chef. So souverän die Selbstdarstellung, „Ich bin fast 30 Jahre im Bundesliga-Geschäft, ein wenig Kompetenz unterstelle ich mir auch“ und die Auswahl seiner Aussagen: Die PK liefert mehr Fragen als Antworten!

 

Phantom Bruchhagen: Heute stellte sich der 68-Jährige (Vertrag bis 2019) offiziell der Presse vor. Auch die Geschäftstelle bekommt den Neuen heute erstmals zu Gesicht. Kurios: die HSV-Profis müssen bis Januar auf den ersten Kontakt mit dem Boss warten. „Ich werde mich beim Trainingsauftakt der Mannschaft vorstellen. Es soll keine Unruhe im Team geben“, so der gebürtige Düsseldorfer. Auch die beiden kommenden Spiele in Mainz und gegen Schalke, wird Bruchhagen nicht im Stadion verfolgen. Stattdessen kümmert sich weiterhin Dietmar Beiersdorfer (53) um das Team. 

 

Nebenjob bei Sky: Heribert Bruchhagen wird das Topspiel (Wolfsburg – Frankfurt) am Samstag (18:30 Uhr) als Sky-Experte begleiten: „Ich werde meine Aufgaben bei Sky noch erfüllen“. Die Vorstellung: Der neue HSV-Vorstands-Chef als Experte im TV, während sein HSV in Mainz um wichtige Punkte im Klassenhalt kämpft. Absurd! Und das obwohl er selbst mehrfach betont: „Es gilt: volle Konzentration auf den schwierigen Abstiegskampf.“ Fragwürdige Gegensätze.

 

Sportchef: Noch-Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer (53) wurde nach dem Augsburg-Spiel offiziell abgesägt. Soll aber zunächst bis Ende des Jahres weitermachen. Dann die Wende unter der Woche: Bruchhagen will Beiersdorfer behalten! Der Ausgang ist offen: „Beiersdorfer hat kein Signal gegeben, dass er darüber hinaus für den HSV tätig sein will“, sagt Bruchhagen. Bedeutet: der HSV steht zur Transferperiode (ab 01.01) stand jetzt ohne Sportchef da. Ein Nachfolger, so rechnet Bruchhagen, soll wohl erst zum Ende der Transfer-Frist (31.01) offiziell vorgestellt werden. Doch wer übernimmt die Verantwortung? Bruchhagen selbst? Wohl kaum. Sechs Monate ist er raus aus dem Bundesliga-Geschäft! Viel zu lang, um einen umfassenden Überblick über den Markt zu haben. Die Wünsche von Trainer Markus Gisdol (47) sind bekannt. Innenverteidiger und „Sechser“ sollen her. Beispiel: Griechen-Grätscher Kyriakos Papadopoulos (24/Leipzig). Sie kennen sich aus gemeinsamen Schalker-Zeiten. Fädelt Gisdol selbst den Deal ein und ist jetzt quasi Mann für Alles beim HSV? Doch wer wird Beiersdorfer-Nachfolger? Jeglichen Kontakt zu Sportdirektoren, wie Horst Heldt (47) dementiert Bruchhagen und kündigt an er werde einen „kompetenten Sportdirektor“ verpflichten. Die Problematik rund um den Sportchef: Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Fortsetzung folgt...

 

Verhältnis zu Kühne: 20 Kühne-Millionen bekommt Bruchhagen für seine Shopping-Tour im Winter. Bruchhagen: „Ich werde das Gespräch mit Kühne suchen und ihm vorstellen, wie ich den Verein führen will“. Bis jetzt gibt es noch keinen Kontakt vom neuen HSV-Boss zu Geldgeber Klaus-Michael-Kühne (79). Bruchhagen möchte ein funktionierendes Team bauen. „Der Sportdirektor muss zu 100% kompatibel mit Herrn Gisdol sein, um ein Vertrauensverhältnis zu entwickeln“, so seine Aussage. Ein funktionierendes Team mit Kühne also. Und das obwohl sich der 68-Jährige als Vorstands-Chef von Bundesliga-Konkurrent Eintracht Frankfurt häufig kritisch gegen das HSV-Kühne-Modell äußerte. Nur aus „Interessensvertretung gegenüber der Eintracht“, wie Bruchhagen beteuert. Weiter heißt es in aktueller Position: „Das ist ein Glücksfall für den HSV“. Kühne und Bruchhagen. Eine spannende Doppel-Personalie. „Ich werde ganz sicher auf Herrn Kühne zugehen und ein gutes Verhältnis entwickeln.“ Abwarten...

 

Aufsichtsrat-Problem: Als wäre das Chaos nicht schon groß genug. Auf den großen HSV-Knall am Sonntag: Bruchhagen statt Beiersdorfer, folgte am Dienstag direkt der nächste: Karl Gernandt (56) tritt von seinem Posten als Aufsichtsrat-Chef mit sofortiger Wirkung zurück. Kein Sportchef und kein funktionierendes Kontrollgremium. Wie es dort weiter geht, ist auch noch offen. Gernandts Vorwurf: „Indiskretion im Aufsichtsrat.“ In Stellvertretung von Gernandt setzt sich zur Bruchhagen-Vorstellung Jens Meier (50/ stellvetretender Aufsichtsratchef und Präsident des HSV e.V.) vor die Presse. Jens Meier sagte auf der Pressekonferenz: „Wir werden jetzt intern alles weiter besprechen“. Auch Heribert Bruchhagen hat einen klaren Plan: „Ich will Ruhe reinbringen“, so die Aussage. Diskretion! Beim HSV seit Jahren ein Dauerthema.

 

Die Renten-Rückkehr des Heribert Bruchhagen. So motiviert und elanvoll er sich gibt:„Es gibt nichts schöneres als Bundesliga-Fußball und  ich fühle mich in der Lage, dieses Geschäft zu durchschauen und die richtigen Lösungen zu finden.“ Es wartet eine Menge harte Arbeit auf den 68-Jährigen. Die auf der Pressekonferenz entstandenen Eindrücke zu seiner Rückkehr erwecken nicht gerade den allerbesten Anschein. Die „Mission-Hamburg“ oder „Heribert, rette den Dino“ hat begonnen!

Viel Erfolg dabei, Herr Bruchhagen. 

 

 Tackling-Tarek

Die Entlassung des Sportdirektors - eine Modeerscheinung?

Platz 14, 34 Punkte aus 30 Spielen, nur zwei Punkte vor den Abstiegsrängen 15 und 16, trotz Spielern wie Graciano Pelle oder Papiss Demba Cisse. Die Rede ist von Shandong Luneng Taishan, aktuelle Trainerstation von Felix Magath. Vor etwa vier Jahren war dieser noch Trainer und Manager in Doppelfunktion beim VfL Wolfsburg. Bis zum 25. Oktober 2012, als er mit den "Wölfen" katastrophal in die Saison startete und nach acht Spieltagen auf dem letzten Tabellenplatz stand - das Team hatte nur zwei Tore erzielt. Am 22. Dezember folgte auf ihn als Trainer Dieter Hecking sowie bereits einen Monat zuvor Klaus Allofs als Geschäftsführer Sport. Eben dieser Klaus Allofs wurde diese Woche nach einigen erfolgreichen Jahren, aber auch größeren Enttäuschungen in der jüngeren Vergangenheit vom VfL Wolfsburg entlassen.

 

Der 60-jährige geriet zunehmend in die Kritik, weil er Leistungsträger Kevin de Bruyne nach dessen Wechsel zu Manchester City 2015, der dem VfL wohl etwa 74 Mio. € in die Kassen spülte, nicht mit passenden Spielern ersetzen konnte. Dazu kam die Posse um Julian Draxler, der im Sommer unbedingt den Verein verlassen wollte, von Allofs aber ein Verbot erteilt bekam und in der bisherigen Saison enttäuschende Leistungen bot. Zuletzt hatte sich Allofs für einen Trainerwechsel entschieden und Dieter Hecking aus seiner Tätigkeit entlassen, um ihn durch Valerien Ismael zu ersetzen. Der sportliche Erfolg blieb jedoch aus. Aber warum wurde dieser dann nicht entlassen? Steht der Geschäftsführer Sport, in anderen Vereinen Sportdirektor genannt, bei sportlichem Misserfolg immer symptomatisch für diesen und wird dadurch öfter vor dem Trainer entlassen?

 

Der VfL Wolfsburg ist nur ein Beispiel, in dem dies der Fall war. Der HSV mit Peter Knäbel, der FC St. Pauli mit Thomas . Meggle sind nur wenige weitere Personalien. In allen dreien war der Hintergrund ein anderer. Doch in allen Fällem war es ein nicht nötiger Schritt. Sportdirektoren stehen heutzutage für eine enge Zusammenarbeit mit Trainer und Mannschaft. Sie können die sportlichen Strukturen am Besten einschätzen und haben dabei immer einen vereinstechnischen Gedanken im Hinterkopf. Doch ihre Personalie kann niemals einen so großen Einfluss haben, dass mit ihrer Entlassung ein sportlicher Umschwung herbeizuführen ist. Zumindest nicht mitten in der Saison.

 

Der FC Schalke 04 hat es vorgemacht. Weg von Sportdirektor Horst Heldt, hin zur Neuverpflichtung Christian Heidel, ein hoch geschätzter sportlicher Leiter über viele Jahre beim FSV Mainz 05. Ein Wechsel, der sauber und in der Ruhephase eines Fußballjahres ablief. Wie kommen also Vereine wie Wolfsburg, St. Pauli oder der HSV - dies ist ein besonderer Fall, weil Peter Knäbel kurz nach der Saison 15/16 entlassen wurde, der HSV aber bis heute keinen Ersatz gefunden hat - dazu, mitten in einer laufenden Saison den Sportdirektor zu entlassen?

 

Die Antwort ist einfach: Sportliche Inkompetenz der Vereinsführung. Beim HSV wird diese schon seit einiger Zeit kritisiert, neuster Fall ist also der VfL Wolfsburg. Kritikpunkt eins zu Klaus Allofs, die falschen Spieler nach dem Wechsel von Kevin de Bruyne geholt zu haben, hatte sich schon über die gesamte letzte Saison abgezeichnet. Warum dann nicht im Sommer die Reißleine gezogen wurde, ist kritikwürdig. Jetzt, zwei Spieltage vor der Rückrunde, kann diese Entlassung gar keinen deutlichen sportlichen Umschwung bringen. Die Zeit, um dies einzuschätzen, ist dafür auch einfach zu kurz. Der Wechsel hätte also auch in einer Ruhephase der Saison vollzogen werden können, in der Winterpause, vor allem, weil der VfL bis dahin wohl ohnehin keinen neuen Sportdirektor vorstellt. Stattdessen bringen sich alle Verantwortlichen selbst in die Kritik und helfen ihrem Verein damit auch nicht weiter.

 

Tackling-Marc