FRITZ VON THURN UND TAXIS

"Gemütlich ist immer wichtig!"


Auch Fritz hatte an dem Interview mit uns scheinbar viel Spaß und ließ uns diese signierte Karte ganz traditionell per Post zukommen!
Auch Fritz hatte an dem Interview mit uns scheinbar viel Spaß und ließ uns diese signierte Karte ganz traditionell per Post zukommen!

Fritz über…

 

… seine berufliche Laufbahn und den digitalen Wandel der Zeit

 

Ich bin in den Job reingerutscht. Nur eine kleine Gruppe konnte ja damals überhaupt zum Fernsehen gehen. Das ist wie beim Vatikan, da kommt man auch schwer rein. Ich war immer sportinteressiert, habe selbst früher Basketball gespielt und es bis in der bayerischen Juniorenauswahl geschafft. Allerdings konnte ich kein Profi werden, da ich zwei Meter groß werden wollte, jedoch bei 1.90 Meter stehen blieb (lacht). Meine Anfänge beim Bayerischen Rundfunk waren „learning by doing“. Die Bundesligatabelle wurde damals per Hand gesteckt, 16mm-Filme gedreht und per Hubschrauber sind wir durch die Gegend geflogen. Der Stress war der gleiche wie heute, allerdings unter völlig anderen Voraussetzungen. Heute würde man sagen: „Habt ihr in Höhlen gewohnt oder was?“ (lacht). Mit 25 Jahren habe ich meine erste Eishockeyweltmeisterschaft übertragen. Mir lag das Live-Sprechen und meine Stimme war bereits ohne Ausbildung gut. 1972 folgten die ersten Olympischen Spiele als „Libero“ für den BR. Später moderierte ich unter Anderem die BR-Kultsendung Blickpunkt Sport. Meine Güte, das waren noch Zeiten! Es gab ja nur zwei Fernsehprogramme und ein halbes drittes.

 

… den grundlegenden Unterschied zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Sportfernsehen

 

Die öffentlich-rechtlichen Sender verlieren mehr und mehr Sportrechte an die Privaten. Das habe ich grundsätzlich früher erwartet. Bei der ARD ist es sehr gemütlich gewesen. Gemütlich ist immer wichtig! (lacht). Aber die ARD kommt wie ein riesiger Versorgungstanker daher. Viel Personal, aufwendige Produktionen, ausreichende Pensionen. Als wir früher vor Ort im Gottlieb-Daimler Stadion in Stuttgart waren, sah man schon auf dem Vorplatz das Riesenaufgebot der Öffentlich-Rechtlichen. Die Privaten setzen arbeiten da mit weniger Leuten schneller, effektiver, oft produktiver. Alles ist viel schlanker. Insofern tun sich die Öffentlich-Rechtlichen schwer. Ich habe versucht, dagegenzuhalten, aber da hat man kaum eine Chance. Auf Dauer, so scheint mir, gerät mir das Konstrukt öffentlich-rechtliches Fernsehen immer mehr in Abseits.

 

… seine erste Vereinsliebe

 

Es hat sich rumgesprochen, dass 1860 München mein Lieblingsverein war. Schon als Neunjähriger bin ich per Taxi mit meiner Mutter ins Grünwalder Stadion gefahren. Zu diesem Zeitpunkt hatte man weniger vom FC Bayern gehört. Mitte der 1960erJahre war 1860 die Nummer eins in Deutschland. Könnt ihr euch das vorstellen? Bei Bayern war zu dem Zeitpunkt so ein „Faxenmacher“ im Tor namens Meier und ein 

17-jähriger Beckenbauer galt als großes Talent. Aber wenn ich am Wochenende aus dem Internat kam, ging ich immer zu den Heimspielen von 1860. Da waren Radenkovic, Luttrop, Küppers und Brunnenmeier die Stars. Die haben mich geprägt. Heute verstehe ich diesen Verein nicht mehr! Ich begreife nicht, was dort passiert. Beim Kommentieren war ich gerade bei Spielen von 1860 übrigens besonders kritisch — da wollte ich mir nichts nachsagen lassen (lacht). Meine allererste Liebe: der HSV. Einmal sagte ich zu Uwe Seeler: „Ich habe 1961 im Bett gelegen und deinetwegen geweint!“ Er fragte: „Ja wieso denn?“ „Im Halbfinale seid ihr nach drei Spielen im Europacup der Landesmeister gegen den FC Barcelona ausgeschieden. Das hat mich zu tiefst erschüttert.“ Und Uwe: „Ach denk dir nichts, ich habe auch geweint!“

 

… Zitate wie „Cacau am Ball und damit meine ich nicht das heiße Schokoladengetränk“ und „Vieri läuft den ganzen kleinen Blutsaugern davon!“

 

Oh, ihr habt gesammelt (lacht). Das Thema Political Correctness hat sich in den letzten Jahren sehr verschärft. Es gab mal eine Geschichte mit dem Argentinier Lucho Gonzales vom FC Porto, den ich als Zigeuner bezeichnete. Ich meinte das eher liebevoll und habe ihn sogar gelobt und herausgehoben. Aber es gab anschließend riesige Komplikationen. In freier Rede befindet man sich schnell auf einem schmalen Grat. Das muss man wissen.

 

… Sprüche bewusst vorzubereiten und einzusetzen

 

Gute Sprüche aus dem Bauch heraus gelingen selten. Ich habe viel mit Gerd Rubenbauer zusammen gearbeitet, unter Anderem beim WM-Finale 1990. Er war der erste, der mit Sprüchen anfing. Ich habe zu ihm gesagt: „Rubi, zwei Sprüche pro Halbzeit, bitte nicht mehr, sonst wird das zu beliebig.“ Wenn in jedem zweiten Satz ein Fünftonner durch die Gegend fährt, wird es kompliziert. Natürlich fällt einem in der Vorbereitung von Spielen mal eine nette Wortkonstellation ein und man wendet sie während des Spiels an. Aufgeschriebene Sprüche müssen aber sehr elegant eingebaut werden. Das darf der Zuschauer nicht merken.

 

… den öffentlichen Eindruck, sein Kommentar werde als Show abgestempelt

 

Für Show bleibt wenig Platz. Für Amüsement ja, das ist eine Facette. Wichtig ist aber, seine eigene Persönlichkeit in den Kommentar einfließen zu lassen, um nicht beliebig zu sein, sondern unverwechselbar zu werden. Im übrigen ist gute Rhetorik mit entscheidend für einen guten Kommentar.

 

… seine Zurückhaltung gegenüber Social Media

 

Ich bin ins Schwitzen gekommen wie selten, als ich hörte, dass jemand unter meinem Namen bei Twitter schreibt. Ich war 2014 bei Markus Lanz zur Talk-Show eingeladen und der Redakteur fragte mich, ob ich überhaupt kommen wolle. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht, dass es ein Profil auf Twitter gibt. Ein Unbekannter hat unter meinem Namen Markus Lanz abfällig und unangemessen bewertet. Ich war schockiert. Wenn man so etwas erlebt, denkt man nur: Wahnsinn! Um es auf den Punkt zu bringen. Ich habe mit Twitter und Co. nichts zu tun, weil es mich ganz ehrlich nicht interessiert. Ich brauche diese ganzen Diskussionen über mich nicht zu hören und zu lesen. Ich habe ein Handy, mit dem man nur telefoniert! Das kriegt irgendwann das Deutsche Museum vermacht (lacht). Im Büro habe ich natürlich meinen E-Mail Account. Ich gehöre wohl zur letzten Generation, die sich das leisten kann. Wenn ich mir beispielsweise meinen alten Baskteballfreund „Buschi" (Frank Buschmann, Anm. d. Red.) anschaue, denke ich: Um Gottes Willen, in welche Welt ist er denn eingetaucht? Der hat sich irgendwann mal gesagt, bevor ich mich beschimpfen lasse, gehe ich gleich ins Internet und suche dort die direkte Auseinandersetzung, um zu verstehen, wie die Leute ticken. Ich kenne diese Welt nicht.

 

… die Frage, ob Frank Buschmann bei Sky sein Nachfolger wird

 

Das hoffe ich sehr. Er hat viele Talente, ist ein prima Unterhalter und er kommentiert noch emotionaler als ich.

 

… modernen Journalismus

 

Es gab eine Schwemme an jungen Leuten, die in den Journalismus gehen wollten. Speziell ab dem Jahr 1985 mit dem Beginn des Privatfernsehens. Heutzutage entsteht sehr schnell ein Gerücht und eine Kettenreaktion findet statt, ohne dass diese unterbunden werden kann. Aber die alten Regeln gelten noch immer: Um an Informationen zu gelangen, muss gut recherchiert werden. Ich predige auch Distanz und halte mich an den Spruch von Hajo Friedrichs, sich niemals mit einer Sache oder einer Person gemein zu machen, über die du berichtest. Mir fällt allerdings auf, dass dieser Satz mehr und mehr an Gültigkeit verliert.

 

… RB Leipzig

 

Ich bin nicht so aufgeregt wie die sogenannten Traditionalisten. Ich finde, dass Ralf Rangnick– natürlich mit viel Geld, aber mit großem Wissen und sehr viel Nachhaltigkeit – Außergewöhnliches geleistet hat. Dort steht ein tolles Nachwuchszentrum. Es ist beeindruckend, was auch über den Fußball hinaus geboten wird. Ich verstehe die Diskussion. Leipzig polarisiert. Wie Traditionsclubs darauf reagieren können, zeigen Fredi Bobic und Niko Kovac in Frankfurt. Das ewige Geschimpfe und dieses „Oh mein Gott, was will der Neureiche?“ finde ich übertrieben. Ich habe das erste Spiel von RB in Hoffenheim übertragen. Vorher habe ich mit Trainer Ralf Hasenhüttl gesprochen und er sagte: „Mensch, stell dir vor, die Leute glauben, wir werden europäisch spielen, das ist doch Wahnsinn.“ Es ging dann 2:2 aus. Ich habe schon gespürt, dass die Mannschaft funktioniert, bin aber erstaunt, dass sie so gut spielt. Ich erwarte sie am Ende unter den ersten Sechs, also doch europäisch.

 

… den Misserfolg der Nordvereine

 

Das Fußballgeschäft ist kompliziert geworden, aber in Bremen war das abzusehen. Da lief es Jahre lang sehr gut. Als dann mal zwei, drei, vier Transfers nicht gegriffen haben, kamen sie schnell auf die schiefe Bahn und es ging immer weiter bergab.  Hamburg ist traditionell schwierig. Es wurden viele Trainer, viele Sportdirektoren verbraucht. Jetzt war gerade das Derby zwischen Bremen und dem HSV. Vor zehn Jahren hätten beide noch Deutscher Meister werden können. Die Strukturen im Verein sind nicht ideal. Jörg Schmadtke, beispielsweise, hätte in Hamburg als Sportdirektor anfangen können, aber sie wollten ihn nicht. Dann ist er halt nach Köln in die zweite Liga gegangen. Jetzt spielen die oben mit und der HSV wird möglicherweise absteigen.

 

… eigene sportliche Aktivitäten

 

Ich habe einmal einen Abschlag beim Golf gemacht, da haben mir vorher Fachleute immer gesagt: „Wenn du den Ball gut triffst, geht ein Gewitter durch deinen Körper und du glaubst, es ist das Höchste der Gefühle.“ Das war bei mir nicht so, insofern spiele ich kein Golf. Mit 50 habe ich mein letztes Fußballspiel absolviert. Als Torwart im Premiere-Team gegen das Team vom DSF. Wir haben verloren, trotzdem wurde ich zum Spieler des Spiels gewählt. Im Winter fahre ich Ski und ich radele viel. Im übrigen mache ich seit 30 Jahren mit meiner Frau Yoga.

 

… das Pokalfinale als sein persönliches „Abschiedsspiel“, wieso er nicht das Champions League-Finale kommentiert und wie er über Marcel Reif denkt

 

(lacht). Ach, wisst ihr: Das Champions League-Finale hat immer mein alter Kumpel Marcel Reif kommentiert. Für mich der beste Kommentator. Marcelo war im deutschsprachigen Raum die Nummer eins. Ich bin sehr dankbar, dass ich dieses Abschiedsspiel bekommen habe und das Pokalfinale kommentieren darf. Bayern gegen 1860 wäre ein Traum, aber es kann auch Fürth gegen Bielefeld sein. Ich halte es wie Spieler und Trainer auch. Wir nehmen's wie es kommt. Schauen wir mal, was dabei rauskommt (lacht). Bis dahin bin ich auf Abschiedstour durch die Bundesligastadien, ohne Depression, manchmal ein bisschen melancholisch, aber im Grunde mit viel Freude und Spannung auch auf das, was nach dem Job noch kommt.

 


Spaß bei der Arbeit! Die Tackling-Redaktion beim Telefon-Interview mit Kult-Kommentator Fritz von Thurn und Taxis.
Spaß bei der Arbeit! Die Tackling-Redaktion beim Telefon-Interview mit Kult-Kommentator Fritz von Thurn und Taxis.