IVAN KLASNIC

"Mein Bruder war mein Vorbild."


Tackling: Du hast in deiner Profi-Karriere viel erlebt: 154 Bundesliga-Spiele, 78 Premier League-Einsätze und 17 mal Champions League. Dazu bist du einmal deutscher Meister und einmal DFB-Pokalsieger mit Werder Bremen geworden. Kannst du uns Einblicke in deine Karriere geben?

 

Ivan Klasnic: Angefangen hat alles mit dem FC St. Pauli. 1997 habe ich dort einen Amateurvertrag unterschrieben, den es heute in der Form gar nicht mehr gibt. Ich habe damals quasi für drei verschiedene Mannschaften gleichzeitig gespielt: für die A-Jugend, die Amateure und die Profis. Da ich noch in die Schule gegangen bin, konnte ich nicht immer bei den Profis mittrainieren und habe deswegen nur die Nachmittagseinheiten absolviert. Wenn ich dann am Wochenende bei der ersten Mannschaft dabei sein durfte, war das natürlich gut. Ansonsten habe ich am nächsten Tag bei den Amateuren oder sogar in der A-Jugend gespielt. 2001 habe ich meinen Vertrag in Bremen unterschrieben. Bremen wollte mich unbedingt schon 1997 haben, aber ich habe mich trotzdem für St. Pauli entschieden oder besser gesagt dort weitergemacht, weil ich in der Jugend schon Teil des Vereins war. 

 

St. Pauli, Bremen – der Norden war deine sportliche Heimat. Aber dich zog es in die Ferne. Erzähl’ doch mal.

 

Nach der Zeit in Bremen ging es 2008 nach Frankreich. Dort habe ich nach der EM (EURO 2008 in Österreich und Schweiz, Anm. der Red.) in Nantes einen Super-Vertrag über vier Jahre unterschrieben. Leider wurde die Zusammenarbeit nach nur einem Jahr und vier Monaten beendet. Ich bin dann nach England ausgeliehen worden, habe dort erfolgreich in der Premier League für Bolton (Bolton Wanderers, Anm. der Red.) gespielt. Nach zwei Jahren bei Bolton sollte ich ursprünglich in die Türkei wechseln, aber Thomas Tuchel wollte mich unbedingt nach Mainz holen. Herr Tuchel rief mich an und sagte, ich müsse unbedingt kommen. Ich bin dann tatsächlich zu Mainz gewechselt, aber die Situation war keine leichte, weil ich bei Mainz nicht so viel gespielt habe wie erwartet.

 

 

 

 

Alter:

36 Jahre

 

Sportart:

Fußball

 

Geburts- &

Wohnort:

 

Hamburg 

 

 

Zeit als Profi:

 

Vereine:

1997-2013

 

FC St. Pauli, SV Werder Bremen,
FC Nantes, Bolton Wanderers,
FSV Mainz 05

 

Größte Erfolge:

 

 

 

 

 

höchster
Marktwert:

Deutscher Meister und
DFB-Pokalsieger mit
Werder Bremen 2004,

EM-Viertelfinale

mit Kroatien 2008

 

 

12 Mio. € (2005)


  „Gegen die Besten der Welt zu spielen und nur einmal am Tag zu trainieren - das ist Luxus.“

 

 

Was interessant ist: Du bist in deiner Karriere nie für eine Ablösesumme zu einem anderen Verein gewechselt.

 

Das ist einfach so passiert. Ich habe meine Verträge alle eingehalten, bis auf den in Frankreich. Damals bin ich früher ausgestiegen.

 

Du bist in der Fußballwelt viel herumgekommen. Deutschland, England und Frankreich waren deine aktiven Stationen als Spieler. Wo hat es dir am besten gefallen?

 

Ich hatte in Bremen definitiv meine erfolgreichste Zeit und deswegen war es dort auch am schönsten. Aber in England habe ich gegen die Besten der Welt gespielt und nur einmal am Tag trainiert. Danach frei zu haben, war Luxus. Das ist anders als in Deutschland, wo man teilweise zweimal am Tag trainiert und mehrmals in der Woche.

 

Für die kroatische Nationalmannschaft bist du 41-mal in deiner aktiven Laufbahn aufgelaufen. Was war der schönste Moment in deiner Karriere?

 

Ich glaube wir (die Kroaten, Anm. der Red.) hätten schönere Momente gehabt, wenn wir bei der EM 2008 ins Halbfinale gekommen wären. Im Spiel gegen die Türken, das wir im Elfmeterschießen verloren haben, war die Chance groß. Aber so ist das Schicksal. Wir hatten damals eine sehr gute Mannschaft. Wenn man 41 Einsätze für die kroatische Nationalmannschaft liest und sieht, wie viele Minuten ich netto gespielt habe, dann sind das im Endeffekt vielleicht 20 Spiele gewesen. Die Tore, die ich für Kroatien geschossen habe, können sich, glaube ich, sehen lassen (12 Tore Anm. der Red.).

 

Du sprichst das Spiel gegen die Türkei an, das Drama im Elfmeterschießen. Warum hast du nach deinem Tor zum 1:0 in der 119. Minute der Verlängerung nicht selber geschossen?

 

Ich habe schon vor dem Spiel gesagt: Ich schieße keinen Elfer. Ich hatte irgendwie ein schlechtes Gefühl.

 

 

„Ich wollte meine Karriere bei St. Pauli beenden.“

 

 

Du hast nach Ablauf deines Vertrages in Mainz 2013 deine Profi-Karriere beendet. Wenn du nochmal zurückdenkst, würdest du es wieder so tun?

 

Meine Profikarriere habe ich offiziell nie beendet. Es war nach der Zeit in Mainz schwierig, wieder einen Verein zu finden. Die Situation mit älteren Spielern war damals im Vergleich zu heute anders. Wenn man jetzt sieht, wie viele Vereine Stürmer suchen und auch die Erfahrung eine Rolle spielt, ist das nicht mehr zu vergleichen. Heutzutage hätte ich locker einen Verein gefunden. Wenn du selbst bei Mainz nicht gespielt hast und dann wieder angreifen willst, ist es schwierig.

 

Du hast nach Ablauf deines Vertrages in Mainz beiden Hamburger Fußballvereinen, sowohl dem HSV (Winterpause 13/14) als auch dem FC St. Pauli (Winterpause 14/15), deine Hilfe in Krisensituationen angeboten. Beide haben abgelehnt. Inwieweit war das wirklich ernst gemeint und warst du enttäuscht?

 

Ich wollte meine Karriere ursprünglich sowieso bei Pauli beenden. Wenn sie gesagt hätten ‚Komm, mach es‘ dann wäre ich sofort dorthin gewechselt. Nach der Absage war ich schon enttäuscht, dass ich keine Chance bekommen habe. Ich wollte einfach mittrainieren, mich fit halten und mit ins Trainingslager fahren. St. Pauli hätte dann entscheiden können, ob sie mich nehmen oder nicht. Also im Endeffekt hatten sie kein Risiko. Mit dem HSV war es damals so, dass ich ein Interview gab, bei dem das Thema Stürmersuche beim HSV aufkam. Lasogga war zu dem Zeitpunkt verletzt und Rudnevs verliehen. Daraufhin sagte ich, der HSV könne sich bei mir melden und habe ihnen meine Dienste angeboten. Mehr war da nicht.

 

 

Im Jahr 2005 wurden bei dir schlechte Nierenwerte festgestellt. Mehr als ein Jahr später, im Januar 2007, folgte die erste Nierentransplantation. Zwei Monate später die zweite, die mit einem Spenderorgan deines Vaters  erfolgreich verlief. Wäre deine Karriere ohne die Krankheit erfolgreicher gewesen?

 

Ich kann es nicht genau sagen, vielleicht. Aber ich sehe das alles realistisch. Ich bin an dem Punkt, an dem ich sage: Ich kann es sowieso nicht ändern.

 

Du hast eine Großzahl an Spielen verpasst, aber du bist der erste Profi, der nach einer Nierentransplantation wieder zurückgekommen ist. Macht das einen stolz?

 

Ja natürlich! Ich wollte unbedingt wieder Fußball spielen und das war für mich sehr wichtig, um auch den Ärzten zu zeigen, dass ich es schaffen kann. Andererseits läuft noch immer ein Rechtsstreit mit den Bremer-Ärzten (Streit über zu späte Feststellung der Krankheit, Anm. der Redaktion), der hoffentlich nächstes Jahr geklärt ist.

 

Zu deinen Gunsten?

 

Ja, da bin ich guten Mutes.

 

Dein Lebensalltag hat sich durch die Krankheit verändert. Kannst du ihn beschreiben?

 

Das ist wie bei anderen Menschen, die diese Krankheit haben. Ich muss montags, mittwochs und freitags von sieben Uhr bis zwölf Uhr für fünf Stunden zur Dialyse. Manchmal bin ich erst um 13 Uhr fertig. Am Nachmittag hole ich manchmal meine Tochter von der Schule ab und verbringe Zeit mit ihr. Manchmal bin ich mit Freunden unterwegs, gehe Essen oder mache Zuhause meinen Garten. Oder ich gucke mir Jugendspiele an und trainiere ab und zu auch Kinder. Für gute Zwecke nehme ich gerne an Charity-Veranstaltungen teil. Im Endeffekt gibt es keine Beeinflussung in meinem Lebensalltag. Ich tue das, worauf ich Lust habe. Klar war die Krankheit ein Schock und jeder Anfang ist schwer, aber jetzt gehört sie zu mir und ich kann es sowieso nicht ändern. 

 

Dein letztes offizielles Spiel liegt mehr als dreieinhalb Jahre zurück. Das Leben nach der Karriere steht heutzutage mehr im Fokus, weil die Öffentlichkeit daran teilnimmt. Viele Profis versuchen sich ein zweites Standbein aufzubauen. Wie ist das bei dir? Was machst du heute?

 

Ich kümmere mich als Scout beziehungsweise als Agent oder Berater um Jugendspieler und möchte dort Fuß fassen. Das mache ich zusammen mit einem Partner, der Anwalt ist. Schritt für Schritt wollen wir etwas aufbauen. Es ist schwierig, wenn du neu im Geschäft bist und jeder Anfang ist schwer. Aber ich glaube, wenn man einmal im Fußball-Geschehen war, wird es am Ende gut laufen.

 

 

„Hamburg ist und bleibt mein Zuhause.“

 

 

Und im Allgemeinen: Wie siehst du das Leben nach der Karriere? Sollten sich Profi-Fußballer deutlich mehr darauf konzentrieren, dass sie sich dieses zweite Standbein aufbauen oder sagst du, wenn man clever ist, kann man von dem leben, was man als Fußballer verdient hat?

 

Es kommt darauf an, wie du gewirtschaftet hast. Es gibt natürlich einige Fußballer, die auf hohem Niveau leben. Aber es gibt auch die, die ein annähernd normales Leben führen. Jeder muss wissen, was er braucht und was er nicht braucht. Das ist das Wichtigste. Entscheidend ist, was du am Ende auf dem Konto hast. Hast du als junger Spieler Geld verprasst? Oder hast du gespart und dein Geld angelegt? Wenn man eine Super-Idee für die Zeit nach der Karriere hat, diese ausarbeitet und entwickelt, kann man Multi-Millionär werden und führt ein sorgenfreies Leben. Aber jeder sollte das machen, worauf er selbst Lust hat und was ihm persönlich Spaß bringt. In der Regel aber verdienen Fußballspieler später nicht das, was sie während ihrer Karriere verdient haben. Aber mein Gott: Es gehört auch dazu zu akzeptieren, dass man weniger verdient. Jeder Spieler hat seinen Mentor oder einen Berater, der bei solchen Dingen hilft. Wird man vernünftig beraten, geht es einem in der Regel später gut.

 

Du bist eine Bremer Legende, die in Hamburg geboren ist. Heute lebst du in Hamburg und hast eine Wohnung in Manchester, wie es heißt. Bist du eher bodenständig oder Kosmopolit?

 

Halt, eine Wohnung in Manchester gibt es nicht. Meine Stadt heißt Hamburg, auch wenn ich lange in Bremen gespielt habe. Hier bin ich geboren und aufgewachsen. Ich bin zwar immer noch häufiger in Bremen, die Bindung ist nach wie vor vorhanden, aber, um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Hamburg ist und bleibt mein Zuhause.

 

Durch deine Geschichte, den Kampf gegen die Krankheit und deinen unbedingten Willen bist du für viele zum Vorbild geworden. Wer waren deine Vorbilder?

 

An Fußballern habe ich mich nicht besonders orientiert. Mein Bruder Josip war immer mein Vorbild. Durch ihn bin ich zum Fußball gekommen. Er hat meine Karriere in die Wege geleitet. Als er früher zum Training gefahren wurde, durfte ich, der kleine Junge, mit. Mittlerweile ist er Zahnarzt.

 

Dein Bruder hat den Sprung zu den Profis nicht geschafft. Lag es am Talent? Warst du einfach besser? 

 

Nein, eigentlich nicht. Er hat auch bei St. Pauli in der A-Jugend gespielt. Dort brach er sich leider den Fuß und dann war es schwierig, wieder zurückzukommen. Man braucht einfach ein bisschen Glück. 

Starker Gesprächspartner! Tackling-Reporter Tarek (li.) traf Double-Sieger Ivan Klasnic (36) zum exklusiven Interview in dessen Wohnung in Hamburg.
Starker Gesprächspartner! Tackling-Reporter Tarek (li.) traf Double-Sieger Ivan Klasnic (36) zum exklusiven Interview in dessen Wohnung in Hamburg.